Hallo werte Leserschaft,
im zweiten
Teil der legendären 0-0 Spiele berichte ich von einem Spiel aus
Griechenland. Wer das Land kennt, der weiß, dass der Fanatismus der
Anhänger schier grenzenlos ist. Nicht umsonst sind bei Stadtderbys in
Athen und Thessaloniki, sowie sonstigen Risikospielen, keine Gästefans zugelassen.
So auch bei dem Spiel, über welches ich berichte. Nun werden viele
denken; keine Tore und keine Gästefans...? Da ist ja langeweile
vorprogrammiert. Doch lest einfach selbst. Für mich war es ein weiteres
0-0 Spiel, welches unvergessen bleiben wird.
08.03.2009
oder
Bürgerkrieg in Thessaloniki
In
Thessaloniki gibt es, wie bekannt, 2 oder 3 große Fußballclubs, zählt
man Iraklis, dessen Szene sich in den letzten Jahren gut entwickelt hat,
dazu. Während für Aris der Hassgegener ganz klar PAOK darstellt, ist
dies im umgekehrten Fall nicht so klar zu erkennen. Aus meinen besuchten
Spielen in Thessaloniki und Gesprächen mit PAOK Fans ist deren
Hassgegner Olympiakos. Übrigens der meistgehasste Verein in
Griechenland. Man wirft ihm Bevorzugung der Regierung und in Folge
dessen verpfiffene Spiele vor. Der Verein aus dem Hafenviertel Piräus hat
zwar eine große Anhängerschaft im ganzen Land, wird dafür aber von dem
Rest umso mehr gehasst.
Während in der Stadt
Thessaloniki PAOK und ARIS sich die Anhänger teilen, so stehen
fast 90% der Nordgriechen hinter PAOK. Man sieht sich als so eine Art
Gegenpool zu dem verhassten Hauptstadtclub, obwohl man an die
sportlichen Erfloge in keinster Weise heranreichen kann.
Nur
einmal im Jahre 1997 durfte ich dieses Spiel mit Gästefans erleben aber
wie bereits erwähnt; die Gewaltspirale wurde und ist überdreht und
somit fand auch dieses Spiel ohne Gästefans statt.
Wie
das bei Hoppern so ist, fand man vor dem Abendspiel noch einen
unterklassigen Kick. Nach diesem Spiel wurde das Miet-Kfz am Iraklisground
geparkt, um die letzten Meter zur Toumba, so der Name des Stadions von
PAOK, zu Fuß zu bestreiten. Man war kurz vor dem Objekt seiner Begierde,
als ein norddeutscher Hopperkollege, eigentlich übervorsichtig und immer
sehr früh vor Spielanpfiff am/im Stadion, folgendes zu mir sagte;
"Patty, es gibt in Europa keine Spiele mehr, wo man 2 Stunden vor
Anpfiff am Stadion sein muss"......Die letzten Buchstaben dieser
Erkenntniss erreichten gerade mein Kleinhirn, als man um die Ecke bog,
vor dem Stadion stand und mittendrinn war; im Bürgerkrieg, der sich vor
unseren Augen abspielte.....
Vermummte
Jugendliche mit Flaschen, Steine und Eisenstangen; die Staatsmacht mit
Tränengas und Gummigeschossen. Hier war def. kein durchkommen zu unserem
Eingang, um unsere reservierten Karten abzuholen.
Man
schaute ziemlich blöde aus der Wäsche, da dies mehr nach Bürgerkrieg,
als nach "hier findet in 90 Minuten ein europäisches Fußballspiel in der
höchsten Spielklasse statt", aussah.....
Irgendwann
geriet dann der (Gewalt)mob in Bewegung und dem Prinzip des
Herdentriebs folgend, war dann alles am rennen oder flüchten. Wir
trabten lässig mit, um den Tränengasgranaten und Gummigeschossen keine
Angriffsfläche zu bieten.
Als 3-4 Meter neben
uns ein Molotowcocktail in Flammen aufging, wofür diese Brandflaschen halt
mal zusammengebastelt werden, wurden auch wir plötzlich schneller. Selbst der
norddeutscher Hopperkollege, über 40 und mit zuviel Körpergewicht, wurde nicht mehr gesehen...Nicht nur die bei allen Fußballfans verhasste
Gummibärchenbrause verleiht Flügel; nein auch die gute alte Angst kann
einem Flügel verleihen. War aber wirklich krass. Habe ja schon einiges
erlebt aber Brandsätze war auch für mich neu; also war erstmal flüchten
angesagt.
Über Umwege schaffte man es doch
noch zu seinem Eingang und wurde von Offiziellen sogleich ins Innere
gezogen, sah man doch unsere vom Tränengasnebel in Mitleidenschaft
gezogenen geröteten und verweinten Augen. Auch Pressekollegen flüchteten
mit vertränten Augen zum Eingang in das vermeintlich sichere "Innere".
Draußen vor dem Stadion tobte wirklich die Hölle. Aber auch im vermeintlich sicheren Ground herrschte völliges Chaos. Mit Tränen in den
Augen, nicht vor Freude, kämpfte man sich zum Fahrstuhl vor, wo schon
jede Menge anderer Journalisten mit roten "Tränengasaugen"
warteten......Eiegentlich wollten wir zur "Media Entrance", um unsere
reservierten Arbeitskarten abzuholen, schafften es aber nur bis zur
Etage der VIP`s.
Der norddeutsche
Hopperkollege wollte dann, todesmutig, per Treppenhaus sich weiter
vorkämpfen. Als er die Tür zum Treppenhaus öffnete, kamen ihm schon
andere Journalisten mit Schal oder Taschentuch vorm Gesicht entgegen;
kein durchkommen gegen den Tränengasnebel. Wir beobachteten dann erstmal
von der VIP-Tribüne und warfen erste Blicke in das Stadioninnere. In
Gate 4 "schwappten" immer wieder mehrer Fans schwunghaft in den Ground.
Uns war klar; def. ohne Karte.......Wie auch immer aber Gate 4 hatte die
Kontrolle an sich gerissen.
Von draussen
hörte man immer wieder Böller und Schießgeräusche. (Erinnerte ein wenig
an Catania vs. Palermo 2007). Ein Polizist im Ground, der deutsch
sprach, erklärte uns, dass man nicht wisse, ob man das Spiel anpfeifen
könne......
Die Staatsmacht hatte nichts unter Kontrolle und der Mob wütetete. Gate 4 hatte zeitweise die Macht an sich gerissen.
Letztendlich wurde angepfiffen
und Gate 4 bzw. alle PAOK Fanatiker hielten ihr versprechen; für die
Mannschaft aus Athen wurde es die versprochene/angedrohte Hölle. Als die
Spieler von Olympiakos zum warmmachen das Feld betraten glich die
Toumba einem Tollhaus. Papierrollen, eigentlich als optischer Eröffner
gedacht, flogen, neben unzähligen Bengals und anderen Wurfgeschossen,
unausgerollt auf die Spieler. Wenn man von einem Heimvorteil sprechen
möche; hier war er gegeben, bzw. so ein Spiel wäre in Deutschland
niemals angepfiffen worden...
Das
gleiche Tollhaus, als die ersten PAOK-Spieler den grünen Rasen betraten.
So müssen Galdiatorenkämpfe im alten Rom abgelaufen sein. Zuerst
betritt der zum sterben verdammte Gladiator die Arena, dann sein
vermeintlicher Bezwinger.......
Während sich
beide Mannschaften auf dem grünen Rasen aufwärmten, einzelne Spieler
einer Mannschaft immer Wurfgeschossen ausweichend, klärte mich eine
griechische Arbeitskollegin über den aufgestauten Hass auf. PAOK hatte
unter der Woche das Pokalrückspiel bei Olympiakos in der Nachspielzeit
mit 0-2 verloren. Zusätzlich wurden 50 PAOK VIP`s angegriffen, während
man die Olympiakos VIP`S in der Toumba in Ruhe lies. Gate 4 schwor
daraufhin Rache und drohte der Mannschaft von Olympiakos, sie würde die
Stadt nicht erreichen und falls doch, würde es die Hölle werden.
Olympiakos forderte daraufhin von der Regierung Staatsschutz. Die
Mannschaft kam nicht in ihrem "normalen" Mannschaftsbus, sondern in
einem neutralen Polizeibus nach Thessaloniki. Von denen kreisten mehrere
in der Stadt umher, so dass niemand wusste, in welchem Bus sich die
Mannschaft aus Piräus befand. Krasse Kiste. Ob es geholfen hat? So wurde
halt alles angegriffen, was nach Polizeibus aussah.
Irgendwann
verschwanden beide Mannschaften in den Kabinen. Die einen frenetisch
gefeiert, die anderen mit Wurfgeschossen eingedeckt.
Dann
war es soweit; die Mannschaften betraten den Platz und Gate 4 hielt
sein versprechen. Das Intro war Hölle pur. Jede Menge Konfetti,
Kassenrollen und vor allem Bengals, Bengals, Bengals. So schafft man
Atmosphäre, so verschafft man sich Respekt. Zusätzlich wurden noch
Raketen in den Nachthimmel geschossen. Böller kamen auch noch zum
Einsatz. Wenn man da als Gastspieler keinen Repekt hat, wann dann.....?
Zum
Spiel selbst braucht man nicht viel zu schrieben; ein Grottenkick.
Heute beeindruckten vor allem die Rahmenereignisse. Wäre ein Tor für den
verhassten Hauptstadtclub gefallen; das Spiel wäre abgebrochen worden.
Wäre ein Tor für PAOK gefallen; Toumba wäre explodiert.......
Das
lustigste, für uns als Zuschauer, weniger für die Spieler, waren noch
die Eckbälle von Olympiakos. Mussten diese gar in der Ecke vor Gate 4
ausgetragen werden, weigerten sich die Spieler oft; und nicht zu
unrecht.......Knallkörper, Plastikflaschen, Münzen; einfach alles
regnete auf die auszuführenden Spieler nieder. Siehe auch Video
Nach
dem erlösenden Schlusspfiff für die Olympiakosspieler, waren die
PAOK-Fanatiker mit dem torlosen Ergebnis sichtlich unzufrieden, stürmten
den Platz und versuchten die Spieler von Olympiakos mit Fußtritten in
die Kabine zu verabschieden. Antonios Nikopolidis, Torhüter von
Olympiakos, wusste sich nur mit einem spektakulären Karatetritt zu
wehren.......
Nach dem Spiel hatten wir nur
noch das Problem zu lösen, unversehrt zu unserer Unterkunft zu kommen.
Es "schepperte" an jeder Ecke. Tränengas lag in der Luft und überall
hörte man "bumm-bumm"-Geräusche der Staatsmacht.
Als
Folge der unschönen Ereignisse musste PAOK seine nächsten beiden
Heimspiele ohne sein "böses" Publikum austragen und wurde zu einer
Geldstrafe (Höhe nicht bekannt) verurteilt.
Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2013 und ein Ende der Gewaltspirale in Griechenland ist nicht absehbar........
Für mich war dieses Spiel ein weiteres 0-0, was ich nie vergessen werde.
Weitere Videos und Bilder auf meiner Fotoseite.