Der denkwürdige Tag von Berrechid

 

 

C.A. Youssoufia Berrechid  vs.  Itthiad Riadi Tanger

 12.04.2015



Das Örtchen Berrechid liegt ca. 30 Kilometer östlich von Casablanca. In der Mitte quasi der Flughafen zwischen Casablanca und Berrechid. Für 18 Dirham (ca. 1,70 Euro) ging es mit der Bimmelbahn nach Berrechid. Dort angekommen packte Cheffe gleich sein Tablet aus, um den Bahnhof abzulichten. So weit, so gut. Ein paar Graffities wurden auch noch entdeckt und abgelichtet.

Plötzlich sprachen uns 2 Männer an und laberten etwas von Fotos.....? Klar, die wollen uns für ein paar Dirham ablichten, so mein Gedanke. Aber sie laberten immer weiter und sahen nicht wirklich freundlich aus. 



Who cares....? Wir liesen sie dann einfach stehen und gingen Richtung City. Die beiden verfolgten uns aber und da Cheffe die Angst im Nacken saß enterten wir ein Taxi, um uns zum Stadion fahren zu lassen. Tja; und dann kam die Staatsmacht und fragte uns, bzw. Cheffe, warum er denn den Bahnhof abgelichtet habe und was wir hier machen würden? Die beiden Vögel hatten uns tatsächlich bei der Polizei verpfiffen, weil Cheffe den Bahnhof fotografierte; unglaublich.

Man kennt das ja in diesen Ländern und sollte immer vorsichtig sein, was man ablichtet. In Marrakesch oder Casablanca würde das keinen interessieren, da überall Touristen mit ihren Digitalkameras, Smartphones oder IPhones herumrennen und alles ablichten was nicht so aussieht, wie zuhause aber hier fielen wir wohl einfach auf. Touristen, die mit nem 10-Zoll-Tablet durch die Gegend rennen und Fotos schießen gibt es dann eher doch selten in Berrechid.

Der Polizist war freundlich und die Sachlage klärte sich schnell auf. Die nächste Merkwürdigkeit; obwohl wir dem Taxifahrer zu verstehen gaben, dass wir zum Stadion wollen, deutete er auf die Gegenüberliegende Straßenseite? Da war aber nix; jedenfalls nichts von aussen ersichtlich? Wer Cheffe kennt, weiß, was dann im Taxi los war. Der gute Mann fuhr uns letztendlich für 8 Dirham (ca. 75 Cent) zum Municipal.

Zufriedenstellende Kiste. 2 Gegenüberliegende Tribünen. Die Haupttribüne mit kleinem Dach. Hinter den Toren nix. Da noch > 4 Stunden bis zum Spiel waren, war natürlich auch noch nix los. Wir pflanzten uns an der Straßenkreuzung in ein Cafe, um so eventuell die Busse aus Tanger einfahren zu sehen. Bei kühlen Getränken genoss man die Sonne und lies den gestrigen Tag nochmal Revue passieren; Urlaubsfeeling.

2 Stunden vor dem Spiel war allerdings immer noch nichts los. Ein Einheimischer erklärte uns, dass nicht im Municipal gespielt würde, sondern in einem anderen "Stadion". Der freundliche Einheimische fuhr uns auch gleich hin; es war die Ecke, wo wir das Taxi enterten......

Am Eingang dann das gleiche Prozedere von Offiziellen und Polizei. Wo kommen wir her, was wollen wir hier, wieso, weshalb, warum, usw. Letztendlich waren dann die Vereinsoffiziellen ausserordentlich freundlich und liesen uns auf der Trainerbank Platz nehmen, da es die einzigsten Schattenplätze im Ground waren und es noch 2 Stunden bis zum Kick off dauerte. Man besorgte uns sogar warme Sandwiches, Pommes sowie gekühlten Orangensaft (lt. Qualitätsurteil von Cheffe frisch gepresst) und Mineralwasser.

Aber warum waren die Trainerbänke die einzigen schattigen Plätze....? Genau! Der Ground, oder wirklichkeitsgetreuer ausgedrückt, besserer Sportplatz, bestand aus einer Tribüne.....



Die zweite Tribüne befand sich im Bau. Kunstrasen. Unfassbar, dass der Verband ein so wichtiges Spiel auf so einem Plaz austragen lies, bzw. erlaubte dort auszutragen.
Ein Vereinsoffizieller erklärte uns, dass dies die neugebaute Heimspielstätte sei, es Glück bringen würde heute hier zu spielen und der (Kunst)rasen besser sei. Aha......Über den Zustand des Rasenplatzes konnten wir uns am Municipal nicht erkundigen, da das Stadion verschlossen war und keinen Anblick auf die Spielfläche gewährte......

Wie man hier eine vierstellige Anzahl von Gästefans unterbringen wollte war uns Beiden rätselhaft. Tanger konnte mit einem Punktgewinn vorzeitig aufsteigen und es wollten etliche Fans anreisen.

Letztendlich waren wohl 1.000 Tanger-Fans vor Ort aber nur 250 hatten ein Ticket. Ca. 350 waren im Ground, der Rest draussen vor dem Stadion oder auf umliegenden Hausdächern.......



Von denen, die im Stadion waren, wurde sofort die Mauer geentert und Fahnen aufgehangen


Der Anführer tanzte auf dem Zaun zum Spielfeld. Der Staatsmacht wurde dies allerdings zuviel und sie schüttelte den Capo vom Maschendrahrtzaun. Dieser plumpste auch direkt auf die Erde und verletzte sich wohl. Anschliesend wurde er von 4 Fans rausgetragen.



Jetzt war erstmal Wallung in dem Eck der Gästefans. Die Fahnen wurden abgehangen und Abmarsch. Klasse; nach 15 Minuten war scheinbar der Gästeauftritt Geschichte. Natürlich gab es wilde Diskussionen. Ein Teil wollte bleiben, der andere Teil nicht aber das Kommando zum Aufbruch war eindeutig.


Als ein Großteil draussen war, gab es wohl wieder Diskussionen und der "gestürzte" Anführer gab anscheinend die Parole aus; Alle zurück und weiter anfeuern; Spiel ist zu wichtig!

In der Halbzeitpause wurde wieder das Tor geöffnet und man lies wohl einige Tangerfans herein. Letztendlich waren in der zweiten Spielhälfte wohl 400 Tangerfans live dabei, als sich ihr Team zum Auftstieg zitterte. Unfassbare 0 Torschüsse von Tanger. Jetzt wunderte es einen auch nicht mehr, dass eine Mannschaft, die in 27 Pflichtspielen erst 20 Tore geschossen hat, in die höchste Spielklasse aufsteigt. Wer gerne viele Tore sieht, sollte sich besser kein Spiel mit Tangerbeteiligung anschauen...



Nach dem Schlusspfiff wurde ausgiebig der Aufstieg gefeiert.










Als ein Großteil der Gäste schon verschwunden war, gab es am Spielfeldausgang, wir durften mit aufgstellten Sitzen das Spiel hinter der Torauslinie im Innenraum begutachten, zu Rangeleien. Vereinsoffizielle beider Mannschaften verteilten sich gegenseitig Backpfeiffen, Edelfans waren auch involviert, schreiereien, Handgemenge, Polizei, Chaos pur; this is Africa......

Danach ging es mit dem Taxi stressfrei zum Flughafen, wo man nach dem einchecken auch wieder die Lounge aufsuchen durfte.

Fazit der Tour: Ein denkwürdiges Wochenende in Marokko. Ob so ein Wochenende 2015 nochmal folgt ist eher unwahrscheinlich. Nach 21 Jahren Hobby ein Spiel, welches in die Top 3 einsteigt; wer hätte das gedacht...

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